Definition
Das Long QT-Syndrom gehört zur Gruppe der Ionenkanalerkrankungen mit pathologisch verlängertem QT-Intervall.
Die frequenzkorrigierte QT-Zeit (QTc) beträgt über 440 Millisekunden.
Typisch für das Long QT-Syndrom sind anfallsweise auftretende Tachykardien, oft in Form von lebensbedrohlichen Torsade de pointes – Tachykardien.
Physiologischer Hintergrund des Aktionspotentials (AP)
Das Besondere am AP des Ventrikelmyokards ist die Dauer von 300 – 450 ms.
Die Herzmuskelzellen besitzen in der Diastole ein Ruhemembranpotential von ca. -85mV.
Ein AP wird durch einen Reiz ausgelöst, der die Membran bis auf ca. -65mV depolarisiert
(Schwellenpotential).
Phase 0
Das AP zeigt eine steile Aufstrichphase mit overshoot bei +40 mV. Dieser wird durch einen schnellen Na+ -Einstrom verursacht. Die Zelle erfährt eine Umpolarisierung. Die Anstiegssteilheit ist ein direktes Maß für die Geschwindigkeit des Na-Einstroms. Dauer 1 – 2 ms., danach sind die Na-Kanäle inaktiviert.
Phase 1
Kurze K+ -abhängige Repolarisation, im Wesentlichen durch die abnehmende Natriumleitfähigkeit bedingt.
Phase 0 und 1 bildet den QRS-Komplex des EKG
Phase 2
Plateauphase mit langsamer Repolarisation. Diese wird durch den langsamen Einstrom von Ca2+ -Ionen (elektromechanische Koppelung) und verzögerten K+ -Ausstrom verursacht. Die Plateauphase entspricht der ST-Strecke im EKG.
Phase 3
Der abschließende Ca2+ -Ausstrom und die Öffnung verzögert aktivierter K+ -Kanäle repolarisieren die Zelle. Diese entspricht der T-Welle im EKG.
Phase 4
Nach kurzer Nachpolarisation nimmt die Zelle wieder ein Ruhemembranpotential ein. Die Natrium-Kalium-Pumpe befördert die eingeströmten Natriumionen im Austausch gegen Kaliumionen wieder in den Extrazellulärraum. Entspricht der isoelektrischen Linie zwischen 2 Herzaktionen (sog. T-P-Strecke)
Die Refraktärphase (Phase 2 + 3) unterteilt sich in eine
- Absolute Refraktärzeit (Phase2) die durch eine vollständige Inaktivierung des schnellen Natriumsystems gekennzeichnet ist und in die
- Relative Refraktärzeit(Phase3), mit zunehmender Repolarisation bildet sich etwa im mittleren Drittel die Inaktivierung des Natriumsystems wieder zurück. Ab einem Membranpotential von ca. -40mV ist ein AP wieder auslösbar (vulnerable Phase).
Pathogenese
Ursache sind geringfügige Abweichungen der elektrischen Signalübermittlung in den Zellen des Herzmuskels.
Es handelt sich dabei um eine verzögerte Repolarisation die mit einer Verlängerung der Phase 2 und vor allem der Phase 3 des Aktionspotentials einhergeht.
Während dieser Zeit von etwa 300 – 400 msec. können irreguläre Nachdepolarisationen bereits wieder ein Aktionspotential auslösen, welches dann anhaltende Arrhythmien triggern kann.
Bei den kongenitalen Long-QT-Syndromen wird die Verlängerung der Plateauphase durch abnorme Eigenschaften der Ionenkanäle verursacht, entweder in Form eines verminderten Ionentransport des Kalium-Kanals oder einer erhöhten Transportleistung des Natrium-Kanals.
Beim erworbenen Long-QT wird die Verlängerung der Plateauphase in erster Linie auf eine Hemmung des schnellen Anteils des Kalium-Ionenstromes hervorgerufen.
Erworbenes Long-QT-Syndrom
Eine Verlängerung des QT-Intervalls kann von einer Vielzahl von Medikamenten, durch Elektrolytstörungen (Hypokaliämie) oder als Folge von Myokarditis oder Ischämien entstehen.
Wenn dabei Torsade de pointes-Tachykardien auftreten, spricht man von einem erworbenen Long-QT-Syndrom.
Medikamenteninduzierte Verlängerungen
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Klinik
Plötzlich auftretende, häufig belastungsbedingte Torsade de pointes-Tachykardien (>30 sec) mit:
- Allgemeinem Unwohlsein
- Pectanginösen Beschwerden
- Synkopen
- Schweißausbrüchen
- Kammerflimmern mit Herz-Kreislauf-Stillstand
Diagnostik
- Verlängerung des QT-Intervalls im Ruhe-EKG
- Als oberer Grenzwert gilt eine QTc von 440 ms
- Hohes Risiko ab 500 ms
Frequenzkorrektur
Da die QT-Zeit grundsätzlich von der Herzfrequenz abhängig ist, wird eine frequenzkorrigierte QT-Zeit (nach Bazett) berechnet:
Bei Herzfrequenzen über 100/min führt die Korrekturformel nach Bazett zu einer Überkorrektur, bei Herzfrequenzen unter 60/min zu einer Unterkorrektur. Deshalb führt die häufiger angewandte Formel (nach Fridericia) bei Frequenzen über 80/min zu exakteren Ergebnissen:
QTC = frequenzkorrigierte QT-Dauer (Sek.)
QT = tatsächliche QT-Dauer (Sek.)
RR = R-R-Abstand (Sek.)
Normalbereich QTc: 350-400 ms
Therapie
- Akuttherapie bei Torsade de pointes Arrhythmien
- Gabe von Magnesium und/oder Orciprenalin, da diese Arrhythmien Bradykardie-assoziiert auftret
- Anlage eines passageren Schrittmachers
- Beseitigung der auslösenden Ursache
- bei medikamentös induziertem LQT ist die Absetzung des jeweiligen Arzneimittels erforderlich
- bei Hypokaliämie besteht die Therapie durch Kaliumsubstitution unter fortlaufender Kontrolle des Kalium-Spiegels
- bei angeborenen Formen Senkung der Herzfrequenz durch:
- Betablocker (negative Chronotropie) oder
- Sympathektomie
- Bei therapierefraktären Beschweren Implantation eines ICD
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